Beim Auseinanderbauen eines Motors ist die nockenwellendichtung kaum das auffälligste Bauteil – klein in der Größe, versteckt an einer Stelle, an die die meisten Menschen nicht denken. Doch jeder, der bereits Erfahrung in der Branche gesammelt hat, weiß, dass ihr Zustand erstaunlich viel über die allgemeine „Verfassung“ des Motors verrät.
Langes Leerlaufen bei hoher Hitze, häufige Kaltstarts oder plötzliche Stopps nach Autobahnfahrten führen dazu, dass Metall und Gummi sich in ungleichmäßigen Rhythmen ausdehnen und zusammenziehen, wodurch der Ölfilm entlang der Dichtlippe zu schwanken beginnt. Erfahrene Mechaniker entfernen die Dichtung oft und prüfen zunächst, ob an der Kontaktfläche ein schwacher polierter Ring erkennbar ist. Danach führen sie die Fingerspitze langsam kreisförmig entlang der Lippe — fühlt sich die Reibung spürbar trocken an, deutet dies in der Regel auf geringfügigen Lagerverschleiß oder instabile Schmierung hin. Diese „altmodische“ Methode vertraut bis heute am Prüfstand.
Bei der Beschaffung von Ersatzteilen neigen Anfänger dazu, lediglich die auf dem Bauteil eingestanzten Maße abzugleichen und dabei die Gummimischung und Lippengeometrie der Dichtung zu ignorieren. In der Praxis sind Fluorkautschuke zuverlässiger bei hohen Temperaturen und chemischer Belastung, können jedoch bei langanhaltenden niedrigen Temperaturen steif werden. Acrylkautschuk hingegen widersteht Verhärtung bei Kälte, erfordert jedoch häufigere Kontrollen des Ölfilms, um Trockenlauf zu verhindern. Erfahrene Käufer berücksichtigen vor der Auswahl geeigneter Materialien den Einsatzzyklus des Fahrzeugs, die Klimazone sowie sogar die Gewohnheiten des Fahrers.
Die Installation ist genauso kritisch wie die Auswahl. Erfahrene Techniker reinigen die Lagerfläche mit einem fusselfreien Tuch, tragen eine papierdünne Schicht Spezialfett auf die Lippe auf und vermeiden es, während des Einbaus die Dichtkante zu beschädigen. Einige bevorzugen es, die Dichtung schrittweise einzupressen und dabei leicht zu drehen, um der Lippe zu ermöglichen, sich natürlich einzusetzen, anstatt sie auf einmal kraftvoll gerade einzudrücken. Handbücher betonen solche Details selten, doch in der Praxis entscheiden sie oft darüber, ob eine Dichtung dicht hält oder frühzeitig versagt.
In einem von mir untersuchten Fall mit einem frühen Leck begann die Dichtung bereits vor Erreichen der 5.000 km zu lecken. Bei der Untersuchung nach dem Defekt stellte sich heraus, dass die Presssitztiefe um weniger als einen Millimeter abwich, wodurch die Kontaktoberfläche der Lippe zu flach blieb, um einen stabilen Ölfilm aufrechtzuerhalten. Eine so geringe Abweichung lässt sich leicht übersehen, doch mit einem Messschieber und etwas Geduld lässt sie sich vermeiden.
Bei Maschinen, die in staubigen oder schmutzigen Umgebungen arbeiten, hat das äußere Staublippengehäuse eine ebenso große Bedeutung. Ist die Lippe erst einmal abgenutzt, dringen feine Partikel entlang der Welle in den Schmierbereich ein und beschleunigen den Verschleiß der Lippe. Es ist meine Gewohnheit, während der planmäßigen Wartung den Bereich der Staubabdichtung zu reinigen und, je nach Bedingungen, in Betracht zu ziehen, eine Labyrinthabdichtung oder Sicherungsring hinzuzufügen, um die Lebensdauer erheblich zu verlängern.
Die Leistung einer Nockenwellenabdichtung wird nicht nur durch die Qualitätskontrolle des Werks, sondern auch durch die Handhabung des Einbauers, die Bedingungen, unter denen sie eingesetzt wird, und die Sorgfalt der Wartung bestimmt. Die Daten liefern einen Teil der Erklärung, doch erst die Verbindung mit der praktischen Erfahrung vor Ort wandelt Zahlen in verlässliche Ergebnisse um.